Die 5. Passion by Oliver Busslau

Die 5. Passion by Oliver Busslau

Autor:Oliver Busslau [Busslau, Oliver]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-19T00:00:00+00:00


24

Maria Winkler legte den Telefonhörer auf, schob den Bürostuhl nach hinten und blickte hinauf zur Decke ihres Büros. Es war zum Verzweifeln.

Sie hatte einmal rund um die Welt telefoniert – zunächst nach Mailand, um mehr über die Vorgänge an der dortigen Oper zu erfahren. Maria hätte natürlich am liebsten mit dem Intendanten persönlich gesprochen, doch es war nicht möglich, ihn zu erreichen – weder den derzeitig amtierenden, noch den neuen.

Immerhin hatte ihr eine Angestellte des Betriebsbüros sagen können, wer anstelle von Gwen in der Traviata singen würde. Es war Melinda Cortez, eine Sopranistin aus Argentinien – etwas jünger als Gwen und nach allem, was Maria gehört hatte, bei Weitem nicht so gut.

Man kann sich aber denken, was dahintersteckt, dachte Maria.

Melinda Cortez war bei einer der großen amerikanischen Agenturen. Sie gehörte William T. Morgan, einem der großen Strippenzieher des Musikgeschäfts. Maria hatte ihn vor ein, zwei Jahren auf einem Empfang kennengelernt. Er war so einflussreich, dass er jeden seiner Sänger unterbringen konnte, wo er wollte. Seine Agentur hatte die allergrößten Dirigenten, Pianisten, Sänger und Violinvirtuosen unter Vertrag, und wenn er ein junges Talent durchdrücken wollte, setzte er den Veranstaltern einfach die Pistole auf die Brust. Nach dem Prinzip: Wenn du meinen Nachwuchskünstler nicht nimmst, kriegst du meinen Star auch nicht.

Maria seufzte. Das war wieder einmal der Moment in ihrem Berufsleben, wo sie von der Tatsache eingeholt wurde, dass das Musikgeschäft keine kuschelige Großfamilie aus lieben Klassikliebhabern war, sondern eine Schlangengrube.

Schade, dachte sie. Gwen hat mich eine Weile dazu gebracht, es zu vergessen.

Sie beugte sich vor und blickte auf ihren Monitor.

In den letzten zwei Stunden waren sechzehn Mails eingegangen. Fast jedes davon würde intensive Arbeit erfordern. Es ging um Probentermine, Verträge, Konzertprogramme der anderen Künstler, die bei Maria noch unter Vertrag waren.

So ein Mist, dachte sie. Diese Sache mit Gwen hat uns auch noch in unserer Tagesarbeit zurückgeworfen. Egal, es half nichts. Einfach weitermachen.

Maria schickte Nadine eine elektronische Notiz nach nebenan – mit der Bitte, sich um vier der Mails gleich zu kümmern. Dann öffnete sie eine der Nachrichten, die sie selbst beantworten musste.

Während sie lostippte, gab der Computer das Glockensignal von sich, dass eine weitere Mail eingegangen war.

Maria war so mit der Arbeit beschäftigt, dass sie eine Dreiviertelstunde lang gar nicht mitbekam, worum es bei der Mail ging.

Sie war ganz und gar in ihre Arbeit vertieft, als Nadine herübergestürmt kam.

»Was ist los?«, fragte Maria etwas ungehalten, denn angesichts der Niederlagen in den letzten Stunden war ihre Laune nicht die beste.

»Haben Sie die Mail aus Paris gesehen?«

»Was? Nein.«

»Ich dachte, wo das Engagement von Frau Fischer doch ausgefallen ist…«, sagte Nadine schüchtern.

Maria runzelte die Stirn und klickte auf den Posteingangsordner. Mittlerweile waren noch weitere Mails eingegangen, und sie brauchte einen Moment, um das richtige Schreiben in der Liste zu finden.

Die Mail war auf Französisch. Die Leute in Paris oder anderswo in Frankreich machten sich selten die Mühe englisch zu schreiben, geschweige denn deutsch.

Nach und nach begriff Maria, worum es in dem Schreiben ging. Und gleichzeitig entpuppte sich das Potenzial der Nachricht. Es war eine Chance.



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